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Das ist der Gipfel.

Ick raste aus!

Herrschaften, man kann ja gar nicht so viel fressen, wie man derzeit k*tzen möchte, oder? Der lang und breit angekündigte Diesel-Gipfel, der ja von vornherein eine Farce war, da die Autohersteller bereits am Vortag die „Lösung“ in den Medien präsentierten, ist soeben zu Ende gegangen. Und mit ihm die Glaubwürdigkeit der deutschen Politik.

Die Hersteller haben sich darauf geeinigt, dass ein Software-Update ausreicht. Zähneknirschend übernehmen sie dafür auch die (lächerlichen) Kosten. Und die Genossen um Dieselbrindt, pardon, Dobrindt, winken das alles einfach so durch, als wären die jährlich zu Tausenden durch Abgase wegsterbenden Wähler ihnen vollkommen egal. Vermutlich sind sie das sogar, solange nur die Millionen direkten und indirekten Angestellten der großen deutschen Autobauer weiterhin an der Wahlurne die richtigen Kreuze machen. Und solange die Parteispenden fließen. Und zwar in die Kassen aller Couleur, auch der Grünlichen, wie man sehr schön an BaWüs Kretschmann sieht, der immer stramm vorneweg geht, wenn es gilt, die Industrie im Ländle zu beschützen. Der fährt nämlich aus diesem Grund auch ein Auto mit Stern statt etwas Umweltfreundliches, das ginge ja seiner Meinung nach nicht als Ministerpräsi in Mercedesland, wie er auf Nachfrage in einer Pressekonferenz sagte.

Genau dort, in Stuttgart nämlich, hat doch gerade letzten Freitag, das Verwaltungsgericht in seinem Urteil zu den Fahrverboten festgestellt, dass Software-Updates eben genau nicht ausreichend sind, um die Betrüger-Dreckschleudern zu säubern. Und unsere hohen Herrschaften wischen das einfach mal so weg? Wo sind wir denn hier eigentlich? Deutschland geriert sich doch immer als Vorreiter in Sachen Umweltschutz und will anderen Völkern erklären, was sie dürfen und was nicht. Aber die eigene Nase wird dabei geflissentlich übersehen…

Da wurde über Jahre ein immens groß angelegter Verbraucherbetrug betrieben, branchenweit. Das ist bereits international gerichtlich festgestellt. Und im Mutterland der Betrüger werden diesen feierlich rote Teppiche ausgerollt und Zugeständnisse an allen Ecken und Enden gemacht? Ich glaub, es hackt.

In den USA, die nicht gerade die Weltmeister in Sachen Verbraucherrechte sind, wird VW gezwungen, seine eigenen giftigen Autos zurückzukaufen, die Käufer zu entschädigen, Umweltstrafen zu zahlen und obendrauf fünf Milliarden Dollar in einen Umweltfonds einzuzahlen. Auch gegen Mercedes wird jenseits des Teiches heftig ermittelt. Und in Deutschland – nix. Hier kann man als einzelner Verbraucher nicht einmal ordentlich klagen, da man keinen Anwalt finden wird, der sich traut, gegen das Juristenheer der Konzerne anzutreten.
Vergessen ist, dass Herr Seehofer noch am Dienstag für Sammelklagen war.
Hier bekommt man als betrogener Käufer stattdessen eine schwammige Software aufgespielt, die – wie die Deutsche Umwelthilfe belegt – nicht mal großartig etwas bringt und die Konzerne so gut wie nichts kostet. Auch der Umstieg auf angeblich sauberere Euro-6-Diesel nützt dem Verbraucher rein gar nichts, denn diese überschreiten ebenso größtenteils die vorgegebenen Werte, teils gar um das Vielfache.

Und wie reagiert die Politik? Sie erhöht die Grenzwerte für den Straßenbetrieb. Konformitätsrate von 2,1 – mehr als doppelter Schadstoffausstoß im Normalbetrieb gegenüber dem Prüfstand ist okay? Versuchen Sie das mal selbst auf der Straße, liebe Leser, fahren Sie an der Grundschule über 100 Sachen und erklären Sie dann dem Polizisten, der Sie rauszieht, sie haben den Konformitätsfaktor von 2,1 auf die Geschwindigkeitsbegrenzung angewandt. Da möchte man doch mit dem Kopf ausgiebig den Tisch bearbeiten.

Ja, es hängen Millionen von Arbeitsplätzen an der Autoindustrie. Aber eben auch Millionen von Leben, die beeinträchtigt und sogar beendet werden durch die Stickoxide und den Feinstaub, die aus den Auspuffen dieseln. Und die Arbeitsplätze sind doch eigentlich auch gar nicht in Gefahr, wenn man sauberere Autos als bisher baut! Es ist ja gar nicht die Rede davon, dass sofort alle Autobauer auf Elektro-Autos umstellen sollen, auch wenn das äußerst wünschenswert wäre. Baut doch einfach eure Schleudern so, dass deren Fahrer nicht an ihnen ersticken!

Rund 10.000 Tote verursachte die dieselbedingte Luftverschmutzung allein im Jahr 2015. Dem gegenüber stehen 3475 Verkehrstote in 2015. Das ergibt dreimal mehr Tote durch Abgase als durch Verkehrsunfälle. An der Vogelgrippe zum Beispiel sind in Deutschland überhaupt keine Menschen gestorben, aber hunderte von Existenzen – nämlich die der Geflügelzüchter – sind vorsorglich mitsamt ihrer gefiederten Bestände vernichtet worden. Da ging das, die haben eben keine Lobby, die Autobauer hingegen schon.

Nun mag man mich ein Sensibelchen schimpfen, aber es ist nun mal so, dass man die Abgase der neueren Diesel auch deutlich riecht. Und sie verströmen keinen Blümchenduft. Mit jedem Atemzug an vielbefahrenen Straßen atmet man heutzutage Feinstaub ein, der mittlerweile durch die verbauten Filter so fein ist, dass er bis ins Blut dringen kann. Dazu kommen die überhöhten Stickoxidwerte. Saubere Diesel? My ass.

Was ist denn wichtiger, der Schutz von Menschenleben oder die Interessen der Industrie? Momentan wird man das Gefühl nicht los, dass die Kungelei von Industrie und Politik weit größere Ausmaße hat, als man sowieso schon dachte. Da werden Ausnahmen zugelassen, die angeblich dem Motorschutz dienen – statt dass man politikseits darauf besteht, dass dann eben die Motoren anders gebaut werden müssen, um die Menschen vor den ausströmenden Giften zu schützen.

Dieser mehr als nur faule Kompromiss mit den Software-Updates ist ein Schlag ins Gesicht aller Menschen, denn die Autobauer gehören definitiv ordentlich bestraft für diesen gigantischen Betrug am Verbraucher und an der Volksgesundheit. Bestraft aber werden die Falschen, nämlich die Fahrer der betroffenen Autos, die mit ihren Kisten nicht mehr in die Innenstädte dürfen, obwohl sie einfach nur einem falschen Versprechen und damit einer vorsätzlichen Täuschung aufgesessen sind. Die Käufer können nichts dafür, dass ihre Autos massiv Dreck in die Luft schleudern – die Industrie, die sie absichtlich so konstruiert hat, schon.

Und das ist eine Schweinerei sondergleichen. Alle betroffenen Autos müssten nach jetziger Rechtslage eigentlich sofort von der Straße, da de facto ihre Betriebserlaubnis erloschen ist. Aber da ist natürlich unser aller Herr Verkehrsminister sofort bereit, Ausnahmeregelungen zu treffen, damit die Hersteller von ihren Kunden bloß nicht in Regress genommen werden können. Bananenrepublik Deutschland, kann ich da nur sagen. Bundesemmissionsschutzgesetz? Gilt nur für Privatleute, die einen Kamin einbauen wollen…

Um den beschlossenen Software-Quatsch mal kurz zusammenzufassen: Der Schadstoffausstoß soll je Auto um bis zu maximal 30 % verringert werden. Löblich, aber bei Grenzwertüberschreitungen von nachweislich bis zu 800 % (!!) nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Das ganze kostet je Auto den Hersteller rund 100 Euro – mechanische Veränderungen, die wirklich etwas bringen, kosten zwei- bis viertausend Euro je Auto. Und umgesetzt werden soll das Ganze bis Ende 2018 – da von einer „Sofortmaßnahme“ zu sprechen, grenzt schon an Comedy.

Sie merken, liebe Leser, das Thema macht mich richtig zornig. Nur, weil die Leute nicht schockwirksam direkt auf der Straße umfallen und ersticken, sondern über Jahre leiden und dann zu Hause still und leise vor sich hin sterben, geht die Politik schweigend über die Gesundheitsaspekte für die gesamte Bevölkerung hinweg. Hauptsache Arbeitsplätze! Die aber wären gar nicht in Gefahr, denn man könnte die Konzerne verpflichten, die Strafen und die Umrüstung aus ihren immensen Gewinnen zu zahlen und nicht zu Lasten der Mitarbeiter. VW hat rund 35 Milliarden in den USA gezahlt und kann trotzdem im letzten Jahr noch 15 Milliarden Gewinn ausweisen. Trotz eingebrochener Verkäufe, trotz Entschädigungen, trotz allem.

Wenn schon Nachrüstung, dann doch bitte auch mit Hand und Fuß. Eine Software allein kann den Schadstoffausstoß nicht so verringern, dass dann saubere Luft aus dem Auspuff kommt, zumal sich der Verbrauch durch die Software erhöhen wird – wieder mehr Abgase. Da muss man schon an die Substanz gehen und am Motor etwas verändern, was ja nachweislich möglich ist. Es ist halt nur teurer für die Industrie. Da zahlt man dann lieber „großzügig“ in einen schwammigen Mobilitätsfonds ein, der den öffentlichen Nahverkehr elektrifizieren soll (woran dann die gleichen Konzerne wieder verdienen…) und beschwört wie seit Jahren die Konzepte für Elektroautos, die man angeblich in der Schublade habe. Von denen aber noch kaum eines den Weg auf die Straßen gefunden hat, komisch… Dabei hat Elektro null Abgase und die weitaus meisten Ladestationen, die es in Deutschland bereits zu tausenden gibt, werden mit Ökostrom aus erneuerbaren Energien betrieben. Mehr Abgasreduktion geht nicht, das sollte die Politik vielleicht eher fördern als die Flottenumstellung auf Euro-6. Aber das wiederum wollen die deutschen Autokonzerne nicht, weil sie eben so gut wie keine Modelle im Angebot haben. Da beißt sich die Katze in den Schwanz. Mercedes stellt gerade die elektrische B-Klasse ein und hat dann nur noch den smart electric drive, BMW hat nur den i3, VW den eGolf und den eUp. Und all diese Modelle sind um ein erkleckliches Sümmchen teurer als ein vergleichbarer Diesel – man wird einfach den Verdacht nicht los, dass die deutschen Autobauer keinerlei Interesse an der Elektrifizierung des Verkehrs haben. Außer im ÖPNV, denn daran können sie ja dank der Großzügigkeit der öffentlichen Hand gut verdienen. Katze. Schwanz.

Warum saßen eigentlich beim Diesel-Gipfel nur Industrie und Politik am Verhandlungstisch? Keine Umwelt- oder Verbraucherorganisation war eingeladen zum einträchtigen Ringelpiez in Berlin. Und nur Ministerpräsidenten von Auto-Bundesländern. Man blieb fein unter sich, um die freiwilligen (möglichst wenig kostenintensiven) Vorschläge der Autobauer durchzuwinken und bloß nichts zu verlangen. Die Verursacher des Skandals bekommen also einen Freibrief, in dem steht „Schaut mal, ob ihr nicht irgendwie irgendwas tun könnt. Oder so.“

Lächerlich ist auch, dass die Politik Fahrverbote möglichst vermeiden will. Das dürfte die Gerichte, die das zu entscheiden haben, herzlich wenig beeindrucken. Denn wir haben nun mal schon heute Gesetze, die solche Fahrverbote zwingend nötig machen, wenn festgeschriebene Grenzwerte dauerhaft überschritten werden.

Und auch die sogenannte „Kaufprämie“, die zum Beispiel BMW jetzt beim Wechsel auf Euro-6 (hoffentlich mit korrekten Abgaswerten?) anbieten will, ist eigentlich nur ein Rabatt, den der Käufer sowieso bekommen hätte, weil sonst keiner mehr einen Diesel kauft. Macht sich aber gut im Werbekonzept.

Stichwort korrekte Abgaswerte, bei den neuesten Tests fielen 71 von 75 Euro-6-Dieseln durch. Wegen (Überraschung!) nicht eingehaltener Abgaswerte. Nur ganze vier Modelle von der gesamten in Deutschland erhältlichen Palette halten die Grenzwerte ein. Und dafür soll der Verbraucher seinen Alten eintauschen und kräftig draufzahlen? Da wären wir wieder bei der Lächerlichkeit des Ganzen.

Der Chef hat seine Meinung zum Diesel-Gipfel sehr schön in einem Satz zusammengefasst, er sagte angesichts der Pressekonferenz der Politiker „Das ist schlicht unterlassene Hilfeleistung für die Bürger und deren Gesundheit.“

Recht hat er,
findet
Ihre Gertrud

Gertruds Kolumne erscheint wöchentlich donnerstags in der Bleckeder Zeitung

2 Gedanken zu „Das ist der Gipfel.“

  1. Man sollte mal deutlich darauf hinweisen, daß nach bestehender EU Durchführungsverordnung die Hersteller die Wirksamkeit der Abgasreinigung bis -15°C nachweisen müssen.
    Vielleicht bringt das Bewegung in den Markt, wenn Käufer vom Hersteller eine entsprechende Bestätigung verlangen und ansonsten mit Rückgabe drohen.

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